16.12.2020 - 14:07

Was ist eigentlich eine Quadrillion

Die Nachweisgrenze in modernen Labors liegt heute bei einer Quadrillion, einem Teilchen, welches einer 1 hinter 24 Nullen entspricht.

Man stelle sich einen Güterzug vor, Waggon für Waggon gefüllt mit Weizen, auf einer Länge von 20.000 km. In diesem Zug, der mit seiner Länge um den halben Erdball reicht, befindet sich ein Roggenkorn - und man findet es!

Das Institut TIEM Integrierte Umweltüberwachung hat in Deutschland in einer mehrjährigen Studie Spuren von 138 Pflanzenschutz-Wirkstoffen gefunden, die weltweit in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Das ist zwar ein Festtag der Analysegenauigkeit, aber was sagt es über Auswirkungen auf die menschliche oder tierische Gesundheit aus?
Bei der Präsentation dieser Studie Ende September in München wurde tunlichst vermieden die Konzentration der gefundenen Wirkstoffe anzusprechen, auch auf mehrmaliges Nachfragen der Journalisten hin. Also was bleibt nun über außer eine beachtliche Leistung der Labors.

Etwa ein Drittel der gefundenen Wirkstoffe waren zum Messzeitpunkt nicht oder noch nie in Deutschland zugelassen. Die Feststellung, dass damit Wirkstoffe weltweit verteilt werden, ist nicht wirklich neu. So wurde schon Gummiabrieb europäischer Autos am Nordpol festgestellt und jeder Österreicher hat bereits erlebt, dass nach ein paar Stunden Sandsturm in der Sahara unsere Autos mit einem gelbbraunen Schleier bedeckt sind. Ebenso wurden jetzt im Herbst in Europa Rauchpartikel festgestellt, die von den seit Wochen wütenden kalifornischen Waldbränden stammen.

All Ding` sind Gift
Paracelsus hat vor 500 Jahren festgestellt "All Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Ein weises Wort, denn beispielsweise 50 g Kochsalz, an einem Tag konsumiert, sind für einen Durchschnittsmenschen bereits tödlich. Dennoch streuen wir uns diese "tödliche“ Substanz gerne ins Frühstücksei. 
Ja und 3 bis 5 g Kochsalz benötigt ein Erwachsener täglich, um die Verluste durch Schwitzen und Ausscheidungen wieder auszugleichen. Selbst die WHO empfiehlt eine tägliche Salzzufuhr, begrenzt mit max. 5 g, um Herz-Kreislauferkrankungen vorzubeugen. Wie war das? Die WHO empfiehlt den täglichen Verzehr einer Substanz, die bei 35 bis 70 g Aufnahme zum Tod führt?
Es ist also laut Paracelsus immer eine Frage der Dosis, die einen Wirkstoff zum Gift macht. Pflanzenschutzmittel werden erst zugelassen, wenn sie ein Hundertstel jener Dosis beinhalten, die so niedrig ist, dass keine Reaktion, sprich kein toxischer Effekt für Mensch und Tier auftritt. Wäre die WHO konsequent, dann dürfte sie nach diesen Zulassungsbestimmungen einen max. Verzehr von 0,35 g Kochsalz erlauben. Unser Essen wäre salzlos und schal.

Pflanzenschutz auf Basis von Schadschwellen
Als Pflanzenbauer würde ich gerne auf den Einsatz von chemisch synthetischen Pflanzenschutzmittel verzichten. Wir setzen uns in der Beratung auch mit Nachdruck dafür ein, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmittel das letzte Werkzeug im integrierten Pflanzenbau sein soll, nach Fruchtfolge, nach mechanischer Unkrautbekämpfung und gezielt nach Überschreitung von definierten Schadschwellen.
Der von der LK OÖ mitbetreute Pflanzenschutzwarndienst erfährt alleine über 600.000 Zugriffe im Jahr. Durch die Monitorings und Prognosemodelle können damit viele Pflanzenschutzeinsätze vermieden werden. Ebenso müssen konsequent alle Möglichkeiten des digitalen Pflanzenschutzes verfolgt werden um Wirkstoffmengen einzusparen und gezielter an die Schadorganismen zu applizieren.

Die biologische Produktion gerät unter Druck
Trotzdem kann damit der immer deutlicher werdende Konflikt zwischen spezialisierten Biobauern und konventionell wirtschaftenden Nachbarn nicht länger hingehalten werden. Immer öfter wird Ware aus biologischem Anbau auch in Österreich wegen festgestellter Rückstände an Pflanzenschutzmittelwirkstoffen gestoßen.
Die Biobauern erfahren damit jährlich hohe finanzielle Schäden und leider machen hier auch einzelne Pflanzenschutzanwender eine schlechte Figur. So werden nicht selten zu starke Windverhältnisse oder auch Thermik beim Pflanzenschutzeinsatz missachtet. Das Ergebnis findet sich in den Labors mit jährlich ein paar Dutzend Beanstandungen, aber kaum einer gesetzlichen Grenzwertüberschreitung von 0,05 mg/kg.

Einigung auf Grenzwerte unerlässlich
Wenn wir in einer Welt mit ständigem Stoffaustausch aus Industrie, Verkehr und Landwirtschaft in der Pflanzenschutzfrage einen Schritt weiterkommen wollen, dann müssen wir die gesundheitlich hundertfach abgesicherten gesetzlichen Grenzwerte akzeptieren und dies für die biologischen und konventionellen Produkte gleichermaßen. Laborfunde unter dem Hundertfachen eines Gefahrenpotenzials haben schließlich keine Bedeutung.
Wie absurd ist es, sich der eingangs erwähnten immer höheren Analysegenauigkeit zu beugen, mit Konzentrationen die absolut nichts aussagen. Heute sind Teilchen einer Quadrillion feststellbar, morgen einer Quintillion. Die Idee für Bioprodukte einen Grenzwert von 0,0 festzulegen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Biobauern und Konventionelle müssen aufeinander zugehen
Die Lösung kann damit nur in einer wechselseitigen Wertschätzung und Rücksichtnahme auf biologische und konventionelle Produktion gefunden werden. Hier sind die konventionellen Landwirte gefordert abdriftmindernde Technik einzusetzen, bei der Ausbringung auf den Wind zu achten und auf leicht flüchtige Wirkstoffe wie Pendimethalin oder Terbuthylazin zu verzichten.
Ebenso sind die Biobauern gefordert, auf ihre konventionellen Nachbarn zuzugehen und das Gespräch zu suchen. Bezüglich der Anlage von mehrjährigen Schutzstreifen zwischen konventionell und biologisch bewirtschaften Flächen stehen die Biobauern ebenso in der Pflicht entsprechend Vorsorge zu treffen. Gegenseitige Schuldzuweisung kann das Problem nicht lösen, nur Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis.
Wir dürfen damit nicht jenen die Diskussion überlassen, die auf Basis nichtssagender Wirkstofffunde Angst und Hysterie verbreiten, sondern wir müssen verstärkt das Augenmerk auf jene Wirkstoffe lenken, die hinsichtlich Abdrift und Thermik wirklich Probleme machen. Ebenso sind es auch nur eine Handvoll Wirkstoffe, die im Grundwasser Probleme machen und auf die die konventionelle Landwirtschaft verzichten sollte.

Eine Welt ohne Pflanzenschutz wird es nicht geben
Faktum ist, dass wir heute 8 Mrd. Menschen auf der Erde zu ernähren haben und die weltweite agrarische Produktion ohne Pflanzenschutz um etwa 40% zurückgehen würde. Besorgte Bürger und auch Befürworter des Biolandbaus mögen recht haben, dass der Fleischkonsum zu hoch ist und reduziert werden müsste. Statt der Produktion von ressourcenvergeudenden Futtermitteln könnten, so die Meinung, die Menschen sich direkt von pflanzlichen Produkten ernähren.
Aufgrund der aktuell stattfindenden Klimaerwärmung müssen auch alle Anstrengungen unternommen werden, dass stärker auf pflanzliche Ernährung umgestellt wird. Wie aber will man den weltweit seit Jahrzehnten steigenden Trend zu mehr Fleischkonsum einbremsen, geschweige denn umkehren? Wie erklärt man einer Milliarde Inder, die sich gerade noch täglich von einer Handvoll Hülsenfrüchte ernährten, dass sie sich bei mittlerweile steigendem Wohlstand nicht zunehmend von Fleisch ernähren dürfen?
Zum Schluss möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass über 99,9% von Lebensmittelvergiftungen nicht auf Pflanzenschutzmittelrückstände sondern auf Schimmelpilze, Mykotoxine und hochgiftige Alkaloide zurückzuführen sind und dies bei Bioprodukten und konventionellen Produkten gleichermaßen. Es klingt hart, aber die größte Giftküche für eine Lebensmittelvergiftung hält die Natur selbst bereit. Dies vor allem an die Adresse all jener, die im Glauben leben, ohne chemischen Pflanzenschutz bricht auf Erden ein paradiesischer Zustand aus.

LK OÖ / DI Helmut Feitzlmayr